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BY 4.0 license Open Access Published by De Gruyter April 6, 2023

Universitätsbibliotheken im Jahre 2040

University Libraries in 2040
  • Rudolf Mumenthaler

    Rudolf Mumenthaler

    Direktor der Universitätsbibliothek Zürich

    ORCID logo EMAIL logo

Zusammenfassung

Im Beitrag wird die Vision einer Universitätsbibliothek im Jahre 2040 entworfen. Die Aufgaben und Rollen von Bibliotheken in einer Gesellschaft, die zum einen stark digitalisiert unterwegs ist, zum anderen aber auch einen großen Bedarf an sozialen Kontakten hat, werden skizziert. Die Art, wie Medien und Information genutzt wird, hat sich radikal verändert. Kernstück ist eine Informationsplattform, auf der aufbereitete Inhalte mittels KI bedarfsgerecht bereitgestellt werden – von verlinkten Datenwolken über durch KI generierte Abstracts bis hin zu den zugrunde liegenden Daten. Durch die Rationalisierung der menschlichen Arbeit erhalten sinnvolle Freizeitbeschäftigungen und ständige Weiterbildung eine hohe Bedeutung – und die Bibliotheken spielen dabei eine wichtige Rolle.

Abstract

In the article, the vision of a university library in the year 2040 is sketched out. The tasks and roles of libraries in a society that, on the one hand, is heavily digitised and, on the other, has a great need for social contact, are outlined. The way media and information are used has changed radically. The core is an information platform on which prepared content is available using AI as required – from linked data clouds generated by AI to the underlying data. Due to the rationalisation of human work, meaningful leisure activities and continuous education are becoming incredibly important – and libraries play an important role in this.

Schlüsselwörter: Bibliothek; Zukunft; Vision
Keywords: library; future; vision

1 Grundannahmen

Ich möchte vorausschicken, dass es sich hier nicht um einen wissenschaftlichen Artikel handelt, sondern um eine auf meiner persönlichen Erfahrung und in meiner Fantasie entstandene Vorstellung einer künftigen Wirklichkeit in Form eines Essay. Ich stelle einige Grundannahmen voran, auf deren Grundlage ich dann eine mögliche Rolle von Bibliotheken formuliere. Entsprechend meiner persönlichen Haltung skizziere ich eine Utopie, keine Dystopie. Natürlich sind auch pessimistischer Szenarien denkbar, die dann auch andere Auswirkungen auf die Funktionen von Bibliotheken hätten. Ich danke an dieser Stelle Ladina Tschander (UB Zürich) und Jürgen Bernard (Universität Zürich) für ihre wertvollen Inputs und anregende Diskussionen.

Welche Faktoren beeinflussen im Jahre 2040, also in 17 Jahren Bibliotheken? Mein Fokus liegt dabei auf Universitätsbibliotheken. Aus meiner persönlichen Erfahrung lässt sich zu einer Zeitspanne von 17 Jahren festhalten, dass gewisse prognostizierte Entwicklungen jeweils länger brauchen und dass alte Strukturen und Muster länger benötigen, bis sie aufgebrochen und verändert sind. Es gibt jedoch auch disruptive Veränderungen, die innert kürzester Zeit Grundlagen verändern und dann wiederum Entwicklungen beschleunigen. Ein Beispiel für die erste Beobachtung ist für mich die Diskussion um Open Access. Sie dauert nun schon über 20 Jahre und vor etwa zehn Jahren habe ich das Thema OA nicht mehr in meine Übersicht über die wichtigsten Trends und Herausforderungen aufgenommen, weil es für mich kein Trend mehr war.[1] Und doch hält sich das Thema hartnäckig und anno 2022 diskutieren wir weiterhin über die Finanzierung von Gold Open Access, die Entwicklung von Diamond OA und darüber, dass die Verlage nach anfänglichem Widerstand Open Access als lukratives Geschäftsmodell entdeckt haben und für weiterhin steigende Preise sorgen. Ein Beispiel für die zweite Beobachtung disruptiver Veränderungen bietet die Digitalisierung im Zuge der Covid-Maßnahmen 2020/21. Plötzlich wurden Veränderungen möglich, für die man sich zuvor lange mit bescheidenem Erfolg eingesetzt hatte. Rein digitales Arbeiten und Zusammenarbeiten, virtuelle Meetings von überall, auch von zu Hause, Homeoffice und vieles mehr wurden innert eines Jahres zur Normalität.

Meine Annahme gesellschaftlicher Entwicklungen bis 2040: Wegen der fortschreitenden Digitalisierung sind viele Jobs wegrationalisiert worden oder zumindest gefährdet. Fast überall in Westeuropa wurde das bedingungslose Grundeinkommen eingeführt, finanziert u. a. durch Steuern auf KI und Roboter. Die Pflicht zum Arbeiten entfällt dadurch, was eine zuvor ungeahnte Veränderung bewirkte. Man arbeitet nicht mehr primär für Geld, sondern für seine Berufung. Gerade im öffentlichen Sektor arbeiten Menschen, die den Anspruch haben, sich in ihrer Arbeit weiterzuentwickeln und eine positive Wirkung auf die Gesellschaft und die Umwelt zu haben. Dies hat die Form der Zusammenarbeit und die Kultur in den Organisationen fundamental verändert. Die Menschen haben nun auch mehr Zeit für sich und für ihre Interessen. Bibliotheken bieten einen wichtigen Rahmen für diese Aktivitäten: zum Beispiel für eine ständige Weiterbildung in einem informellen Setting oder sich für die Gemeinschaft mit seinem Wissen und seinen Talenten einzubringen. Auch das Studium an der Universität steht nicht mehr so stark unter dem Eindruck von Karriere- und Verdienstmöglichkeiten, sondern dient der Selbstverwirklichung und als Grundlage für gesellschaftliches Engagement. Fächer wie Psychologie, Nachhaltigkeit oder Umweltwissenschaften haben einen enormen Zulauf erfahren. Weiterbildung ist ein Riesenthema, auch und gerade an der Universität.

Technologische Entwicklungen: KI und Robotik haben dafür gesorgt, dass zunächst unattraktive, weniger anspruchsvolle Arbeiten von Maschinen übernommen wurden. Später verschwanden auch in anderen Bereichen viele Jobs, auch anspruchsvollere mit akademischem Hintergrund. Gesucht sind weiterhin Entwickler*innen, Programmierer*innen und Techniker*innen, welche die Systeme weiterentwickeln und in Betrieb halten. Digitale Vermittlung und Kommunikation sind längst zum Normalfall geworden, auch weil das Reisen wegen hohen Umweltabgaben sehr teuer geworden ist. Man reist nur noch im Ausnahmefall zu einer Veranstaltung, sondern nutzt vielmehr digitale Tools für Vorlesungen, Meetings und für die Zusammenarbeit. Da dies zu einer Vereinsamung vieler Menschen zu führen drohte, hat man reale und digitale Communities stark gefördert. Nach dem Kollaps der kommerziellen Version des Metaverse[2] wird dieses nun dezentral durch nicht profitorientierte Gemeinschaften breitgestellt. Universitätsbibliotheken erfüllen diese Funktion innerhalb der Universität. Man trifft sich real oder virtuell in den Räumen der Bibliothek, um das zuvor Gelernte zu diskutieren, um Gemeinschaft zu pflegen und gemeinsame Aktivitäten zu planen.

Die Klimaerwärmung[3] konnte nicht gestoppt werden, weshalb mittlerweile jeder Bewohner bestimmte Energiekredits erhält. Wer mehr als 2000 Watt verbraucht, wird mit hohen Steuern bestraft. Auch dies hat dazu geführt, dass man weniger reist und entweder von zu Hause aus oder in nahegelegenen Bibliotheken arbeitet und lernt. Die Nutzung digitaler Medien innerhalb der Bibliothek schont auch das persönliche Energiekonto.

Dies waren eher evolutionäre Entwicklungen, wie steht es um disruptive Ereignisse? In der Szenariotechnik spricht man von den wild cards, den unvorhersehbaren Ereignissen. Solche alles über den Haufen werfenden Ereignisse wären mit der heutigen Erfahrung ein weltumspannender Krieg. 2022 wurde der Nuklearkrieg plötzlich wieder denkbar. Mit einer solchen Katastrophe würde die Überlegung zu Bibliotheken im Jahre 2040 obsolet, weshalb etwaige Szenarien hier nicht näher beleuchtet werden. Pandemien sind seit 2020 sehr präsent und weiterhin denkbar. Deshalb ist man im öffentlichen Leben sehr vorsichtig geworden. Verbunden mit der Ächtung fossiler Brennstoffe und dem veränderten Reiseverhalten leben die Menschen vermehrt in ihren eigenen vier Räumen.

Bei den Technologien sind die Computer dank der erfolgreichen Nutzung der Quantentechnologie massiv leistungsfähiger und kleiner geworden. Dadurch wurde die KI nochmals effizienter und im Alltag sind enorm leistungsfähige virtuelle Modelle nutzbar geworden. Mittels tragbarer Devices sind die Menschen stets online und miteinander, mit ihren smarten Wohnungen und verschiedenen Diensten verbunden.[4] In der Mobilität haben sich sparsame Elektrofahrzeuge durchgesetzt, die auf dem früheren Schienennetz der Bahnen verkehren. Es sind modulare kleine Einheiten, die autonom auf der letzten Meile fahren, sich aber für mittlere Distanzen auf den Schienenwegen zu größeren Einheiten zusammenschließen. Gefunden werden diese mobilen Fahrzeuge durch Suchsysteme, welche die Standortinformationen aller mobilen Einheiten in Echtzeit abrufen und an Nutzer*innen anbieten können. Die Auswahl von Transportmitteln wird vom Suchsystem automatisch auf die individuellen Bedürfnisse und Präferenzen der Nutzer*innen abgestimmt.[5] Für lange Distanzen wird gerade ein magnetbetriebenes unterirdisches Hyperspeed-Netz aufgebaut, das eines Tages die europäischen Haupt- und Großstädte miteinander verbinden soll.

2 Universitätsbibliotheken 2040

Die oben beschriebenen Entwicklungen werden nun auf die Rolle und Aufgaben von Universitätsbibliotheken übertragen. Wie wirken sich die sozialen, technischen und Entwicklungen aus?

2.1 Die UB als Lernort

Die Bibliotheken haben sich mittlerweile stark gewandelt. Man spricht von Lernzentren, welche nahtlos in die Lehr- und Lernsettings der Universität eingebunden sind. Für den Lernerfolg hat sich als entscheidender Erfolgsfaktor die soziale Einbindung in studentische Communities erwiesen. Diese Funktion haben Bibliotheken übernommen. Die Medienbestände der Bibliotheken sind weitestgehend in Speicherbibliotheken archiviert, die entsprechend ihrem Schweizer Vorbild in der Regel kooperativ betrieben werden. Die physischen Bestände sind zwischen den Bibliotheken abgeglichen worden, es findet eine kooperative Archivierung statt. Gedruckte Medien werden vor allem noch in historisch arbeitenden Disziplinen benötigt. Jedes gedruckte Medium gibt es auch in digitaler Form, weshalb die physische Lieferung (bzw. die Nutzung vor Ort) nur noch die Ausnahme darstellt. Es gibt noch einzelne analoge Forschungsbibliotheken, in denen für bestimmte historische Disziplinen benötigte Originalliteratur für Forschende zur Verfügung steht. In sog. „Sammlungsbibliotheken“ werden historische Bestände weiterhin gepflegt und in Form von Buchmuseen der Öffentlichkeit präsentiert. Gelesen und genutzt wird Information jedoch digital. Neu ist auch die Möglichkeit der Annotation der digitalen Editionsobjekte durch Nutzer*innen, was jedem digitalen Objekt weitere wertvolle Kontextinformationen verleiht, von denen alle nachfolgenden Leser*innen profitieren. Auch werden diese Annotationen von Machine Learning interpretiert und stärken das Suchportfolio der digitalen Bibliotheken.[6]

An den Universitäten ist durch die Auslagerung der Bestände Raum entstanden, der für unterschiedliche Lernsettings genutzt wird. Da viele Aktivitäten von zuhause aus erfolgen und wenig gereist wird, besteht seitens Studierender ein sehr großer Bedarf an Möglichkeiten für soziale Kontakte und zur physischen Kollaboration. Zudem entlastet die Arbeit in der Bibliothek das persönliche Energiebudget (siehe oben). Es gibt eine Palette von Gruppenarbeitsräumen unterschiedlicher Größe mit einer digitalen Grundausstattung, die bequem online reserviert werden können. Kernstück sind interaktive Screens, auf denen Notizen festgehalten und direkt im eigenen Nutzerkonto gespeichert und mit den Kommiliton*innen geteilt werden können.[7] Die Dozierenden (bzw. ihre Assistent*innen und Tutor*innen) sind im digitalen Setting stets erreichbar und können bei Fragen zugeschaltet werden. Gleiches gilt für die Liaison Librarians, welche pro Fach die Studierenden unterstützen. Zum einen bieten sie Einführungen und Schulungen zu Tools und Informationsquellen, zum wissenschaftlichen Arbeiten und zum Informationsmanagement, zum anderen kann man sie für Unterstützung online kontaktieren und in die Sessions einbeziehen.

2.2 Die Nutzung von Medien

In den 2030er-Jahren haben die digitalen Medien einen Durchbruch erzielt. Früher wurden einfach die analogen Medien (Bücher, Zeitschriften) in digitaler Form angeboten. Stand im Jahr 2022 noch die Suche im Vordergrund (ich kenne die Frage und möchte den entsprechenden Inhalt erhalten), wird im Jahr 2040 viel mehr exploriert: Aufgrund des vielfach größeren Portfolios an (heterogenen) Inhalten ist das Informationsbedürfnis der Nutzer*innen gern auch mal undefiniert und opportunistisch: Weder weiß man, was man sucht, noch wo man sucht. Dennoch führen moderne Explorationssysteme Nutzer*innen zu interessanten Inhalten, deren Existenz sie zuvor niemals geahnt hätten.[8]

Die Schweizer Bibliotheken konnten in Zusammenarbeit mit Forschenden der Universität Zürich den sog. „3DD Information Hub“ in Betrieb nehmen. Unter 3DD ist das dreidimensionale Eintauchen (diving) in Informationsräume gemeint. Früher nahm man Information sequenziell auf, blätterte in Büchern, stöberte in Bibliotheken. Das änderte sich wenig, bis das 3DD-Verfahren entwickelt wurde. Es umfasst den gesamten Informationsraum wissenschaftlicher Quellen und Texte. Im Gegensatz zum klassischen Suchsystem werden im Jahr 2040 immer mehrere Perspektiven auf digitale Objekte und Objekträume angeboten, um Übersicht, Orientierung und Navigation zu vereinfachen und zu parallelisieren. Auf einem obersten Layer navigiert man in Themenwolken, die durch die semantische Verknüpfung von Metadaten gespeist werden. Taucht man an einem Knoten einen Layer tiefer, erscheinen Werke unterschiedlichen Formats.[9] Auf den ersten Blick sind hier durch KI generierte Schlagworte (keywords) zu sehen, die dann zu einzelnen Werken führen. Von dieser Ebene taucht man wiederum in eine zunächst abstrakte dritte Ebene, einer Mischung aus Schlagworten und durch die KI dynamisch generierte Abstracts. Man liest sich also vom Titel mit einer Übersicht an Inhalten und Schlagworten eine Ebene tiefer und erhält immer längere lesbare Texte als Zusammenfassungen. Schließlich landet man auf der Ebene des realen Contents (Texte, Daten, multimediale Objekte). Auch Forschungsdaten und andere digitale Quellen sind auf diese Weise erschlossen und nutzbar. Und natürlich lassen sich alle Inhalte markieren, kommentieren und in seiner eigenen persönlichen Cloud abspeichern. Die Bibliotheken pflegen die Inhalte in diese neuartige Plattform ein und sorgen für eine standardisierte und nutzerfreundliche Beschreibung, indem sie die KI trainieren. Die Einbindung der multimedialen Inhalte ist noch im Beta-Stadium, da hier die Tiefennavigation erst über Metadaten und automatische Transkriptionen möglich ist. Besonders immersiv wird das Erlebnis des 3D-Diving durch leistungsfähige 3D-Brillen, durch die man in der Information navigieren kann.

2.3 Open Science und Weiterbildungsangebote

Das Prinzip von Open Science hat sich komplett durchgesetzt, weshalb alle Menschen auf alle veröffentlichten Inhalte Zugriff haben. Dies hat in der Weiterbildung zu einem enormen Schub geführt. Gerade die nun öffentlich zugänglichen Lehrinhalte sind sehr beliebt. Bibliotheken filtern aus dem unüberschaubaren Angebot relevante Inhalte heraus und bieten begleitete Weiterbildungskurse an. Man trifft sich zu Diskussionen und in Lerngruppen, um die Kursinhalte zu besprechen und in Übungen zu vertiefen. Seitens der „Lehrenden“ findet die Abstimmung von Lernzielen, Lernhandlungen und Prüfungsformen voll im Bibliothekskontext statt. Auch haben Bibliotheken maßgeblichen Anteil daran, dass die Lehre deutlich mehr Kompetenzen adressiert als dies noch im Jahr 2022 der Fall war: Auf Basis von erlernter Information entsteht durch Vernetzung Wissen.[10]

An der Universität treffen sich Alumnis entsprechend zur Auffrischung ihres Studiums, da sich die Inhalte sehr schnell verändern. In enger Zusammenarbeit mit den Instituten wählen hier die Liaison Librarians (LLs) Inhalte und Vorlesungen aus und führen Auffrischungskurse durch. Neuerdings gibt es auch Zertifikate für Auffrischung. Solche Zertifikate und Credits sind auf dem Arbeitsmarkt wichtig. Ein Diplom, das vor einigen Jahren erlangt wurde, hat ohne ein Auffrischungszertifikat nur noch eingeschränkte Bedeutung. Die LLs werden dabei von ehrenamtlich tätigen Alumnis unterstützt, die neben ihrer Teilzeitarbeit in ihrem Fach unterrichten und sich damit Kreditpunkte holen. Aktive Credits (solche, die durch eigene aktive Tätigkeit im Unterricht erreicht werden) zählen mehr als passive Credits, die durch den Besuch von Weiterbildungen erreicht werden können. Dies gilt nicht nur für das universitäre Umfeld. Auch in den Öffentlichen Bibliotheken werden Communities von ehrenamtlichen Fachpersonen begleitet, die ihr Wissen und ihre Erfahrung einbringen. Die Bibliotheken bieten dafür den räumlichen Rahmen als Treffpunkte und Lernorte wie auch den administrativen für die Organisation der Veranstaltungen und die Vernetzung der Menschen. Auch hier wird mit frei verfügbaren Lehrinhalten gearbeitet, wobei es eine sehr enge Zusammenarbeit zwischen Universitätsbibliotheken und Öffentlichen Bibliotheken gibt. Sie betreiben eine gemeinsame Plattform, auf der diese Inhalte zusammengeführt und von den Nutzenden bearbeitet werden können.

2.4 Die Aufgaben von Bibliotheksmitarbeitenden

Für die oben beschriebenen Tätigkeiten werden vom Bibliothekspersonal spezifische Kenntnisse gefordert, welche in den entsprechenden Ausbildungen gefördert werden: didaktische Fähigkeiten in einem hybriden Setting, Vermittlung von zielgruppengerechten Inhalten, Community Management und dazu die nötigen Kenntnisse im Bereich Informationstechnologie, Datenmanagement, Datenvisualisierung und Suchtechnologien.

Mittlerweile machen die Liaison Librarians den größten Teil der Mitarbeitenden der Bibliothek aus, da sie auch in der Forschung gefragt sind und dort bei der Ermittlung und Nutzung von Information und besonders beim Management der Forschungsdaten Unterstützung bieten. Gerade das Datenmanagement wird weitestgehend durch KI übernommen, wobei die Bibliotheksinformatiker*innen vor allem die Algorithmen trainieren und dafür zuständig sind, neue Quellen einzubeziehen, um die Resultate zu verbessern. Nur wo eine vollständige Automatisierung nachteilig wäre, werden Human-in-the-Loop-Ansätze[11] benötigt: Dies erfolgt in enger Zusammenarbeit mit den LLs, welche die menschliche Schnittstelle zwischen den Systemen und den Nutzer*innen darstellen.

Einige klassische bibliothekarische Aufgaben werden nicht mehr von Menschen erledigt: So wird die Formalkatalogisierung weitestgehend durch KI-Verfahren über die gemeinsame Plattform erledigt. Die zu Beginn umstrittene Einrichtung einer Swiss Library Service Platform hat sich als eine strategisch weitsichtige Maßnahme erwiesen. Die KI sorgt für eine korrekte Einspielung der Metadaten und für eine inhaltliche „Erschließung“ (siehe oben). Die Bibliotheken sind für die Einbindung universitärer Quellen zuständig, also für Publikationen des Universitätsverlags, für Forschungsdaten und für Lehrinhalte. Tatsächlich hat man es anfangs der 30er-Jahre endlich geschafft, auch die Lehrinhalte in eine einheitliche Suchoberfläche zu integrieren.

Die 2022 noch so einflussreichen, global agierenden Wissenschaftsverlage sind im Zuge dieser Entwicklung obsolet geworden. Das damals vorherrschende Publikationsformat des wissenschaftlichen Artikels in einer Fachzeitschrift wurde durch neue Formate abgelöst, namentlich durch interaktive Datenpublikationen und durch Mikropublikationen. Diese werden nun durch Fachcommunities gesteuert, qualitätsgesichert und über universitäre Infrastrukturen publiziert und archiviert. Universitätsbibliotheken spielen dabei eine wichtige Rolle beim Betrieb der Infrastruktur, der Pflege der Standards und vor allem der Metadaten. Diese sind wiederum die Grundlage für die Verknüpfung und Erschließung in der 3DD-Plattform.

Die Nutzung der Plattform erfolgt über einen personalisierten Account, dem alle relevanten Nutzerdaten hinterlegt sind, aus denen sich die Berechtigungen für die Systemnutzung ergeben. Für die Sicherheit sorgen Blockchain-Mechanismen. Dieser Account ist mit der elektronischen ID verknüpft, die für alle digitalen Services der Schweizer Behörden und der staatlichen Organisationen, also auch im Bildungssektor, genutzt wird. Der persönliche Account dient zudem für individualisierte Empfehlungen von digitalen Inhalten. Im Gegensatz zu Recommender-Systemen im Jahr 2022 ist die Personalisierung natürlich so gelöst, dass man sich stets seiner individuellen filter bubble bewusst ist, um subjektiven Interpretationen und Biases in der Informationserschließung vorzubeugen.

3 Fazit

Universitätsbibliotheken haben sich auf der Grundlage der gesellschaftlichen Veränderungen weiterentwickelt. Geblieben ist die zentrale Funktion als aktiv betriebener Lernort, der vor allem auch hybride Settings von Gruppenarbeiten unterstützt und als sozialer Treffpunkt dient. Radikal verändert hat sich die Mediennutzung und entsprechend auch das wissenschaftliche Publizieren. Die 3DD-Plattform bietet KI-basierten Zugang zu verschiedenen Wissensebenen. Open Science bildet dafür und für die breite Nutzung wissenschaftlicher Information auch in der ständigen Weiterbildung eine wichtige Grundlage. Die Universitäten und Universitätsbibliotheken haben das wissenschaftliche Publizieren in ihre Hände genommen und die früheren Großverlage abgelöst.

About the author

Rudolf Mumenthaler

Rudolf Mumenthaler

Direktor der Universitätsbibliothek Zürich

Published Online: 2023-04-06
Published in Print: 2023-04-03

© 2023 bei den Autorinnen und Autoren, publiziert von De Gruyter.

Dieses Werk ist lizensiert unter einer Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz.

Downloaded on 8.5.2024 from https://www.degruyter.com/document/doi/10.1515/bfp-2022-0087/html
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